Zu Hans F Geyers „Physiologie der Kultur“
Hans F. Geyer, „Physiologie der Kultur“, Frankfurt am Main
(Insel Verlag) 1985, 255 S.
Von Johannes Beringer
„Warum denke ich diesen Gedanken?“ - „ Was
geschieht, wenn der Mensch einen Satz ausspricht?“ - „Wie ist die
Fähigkeit zur Abstraktion physiologisch zu verstehen?“ - Das sind Fragen,
die am Ausgangspunkt von „Physiologie der Kultur“, dem neuen Buch von Hans F.
Geyer, stehen.
Fast unbemerkt von jeder Art Öffentlichkeit vor allem auch
der fachphilosophischen - hat der heute einundsiebzigjährige Schweizer Philosoph
Hans F. Geyer seine Position entwickelt und ausgebaut. Ich habe ihn 1980
kennergelernt - nach dem Tod von Ludwig Hohl, mit dem er seit den fünfziger
Jahren befreundet war. Damals habe ich angefangen zu lesen ..., und wenn ich
heute den Blick zurückrichte, so staune ich nicht schlecht, wie viel vom
Späteren in den ersten Publikationen Hans F Geyers keimhaft angelegt ist, wie
offen nach vorne hin, wie reich sein „aphoristisches Denken“ ist.
Auch darüber staune ich, was alles ich bei dieser ersten
Lektüre „übersehen“ oder bereits wieder vergessen habe (das Noch-nicht ist in
zartesten Nuancen „schon da“ - es erschliesst sich also nur dem, der die Nuancen
im bereits Geschriebenen wahrnimmt und wirklich damit arbeitet). Dabei muss ich
zugeben, dass ich bei aller Begeisterung, die sich von Hans R Geyers
leidenschaftlichem Philosophieren auf mich übertrug, auch anfängliche
Widerstände zu überwinden hatte..., denn in gewissem Masse sind Begriffe (oder
Etiketten) wie „Antiaufklärung“, „Mystik“, „Wiederbelebung des
Mythos“ auf sein Werk schon anwendbar. Aber - und das ist entscheidend - in
diesem Denken gibt es eben gerade keinen „Schiffbruch des Rationalismus“:
Die genannten Attribute sind bei Hans F. Geyer nicht - wie bei vielen
Obskuranten, Mystagogen, Besitzern von „Weltgeheimnissen“ - einfach
Fluchtbewegung, bequemes Sich-Einrichten darin, schlicht reaktionär, sondern sie
gehen auf in einer umfassenderen Haltung, die gewiss eine besondere Nähe zum
„Verfahren der Kunst“ hat.
Kann nicht gerade jenes Denken - so sage ich mir jetzt - am
produktivsten werden, das eine vielleicht Jacob Boehmesche Mystik wiedergewinnt
und trotzdem rational ist, das heisst mit den schärfsten (eben auch neuen)
Begriffen aus dem „Dunkel“ das hervorholt, was mit „etwas
Rationalismus“ bzw. „ausschliesslich rational“ (intellektuell,
akademisch) nicht hervorzuholen ist? „Ein hoher Name wartete des Menschen: er
sollte Forscher heissen“ - dieser Satz Ludwig Hohls fällt mir immer wieder ein,
wenn ich an die Folgerichtigkeit und Intensität von Hans F. Geyers Arbeit denke,
wenn ich die schöne Begrifflichkeit und die Entwicklungslinien seines Werkes vor
mir sehe.
Wie kann einer an seinem Schreibtisch, ausgerüstet mit Stift,
Schreibmaschine, Papier, überhaupt forschen? Bedarf es dazu nicht - wie in den
Naturwissenschaften - eines materiellen Gegenstandes oder Feldes? Hans F Geyer
hat an dieser Stelle für sich schon früh ein Schlüsselwort eingesetzt - das
heisst: der Leib, Leiblichkeit, und er meint damit durchaus auch die eigene. Der
Leib. das ist der materiell-immaterielle Gegenstand, das Feld, dessen ungeahnt „intimer
Empirie“ er sich öffnet - die sich ihm öffnet über die Sprache, das Denken
und Fühlen.
Ich zitiere eine Passage aus dem Vorwort zu „Biologie der
Logik“, Band vier seines insgesamt sechshändigen „Philosophischen Tagebuchs“
(das erschienen ist zwischen 1969 und 1974): „Es ist in Band IV die Erfahrung
des Leibes, als innere Erfahrung im umfassenden Sinne von Körper, Seele und
Geist, die im Mittelpunkt steht, eine Erfahrung, die jeder Mensch jeden Tag
machen kann, wenn er nur auf die Phänomene, die ihm allzuoft unbedeutend
vorkommen, aufmerksamer und in einem grösseren zeitlichen und räumlichen
Zusammenhang achtet.
Der menschliche Leib ist ein kosmisches System, das, was
seine Grösse betrifft, ungefähr in der Mitte steht zwischen den
mikrophysikalischen und den astronomischen Systemen. Es besteht kein Grund zur
Annahme, dass sich die Natur dieses kosmischen Systems nur der Naturwissenschaft
und ihrer Methodik enthüllt. Das ‚mediokosmische System’ des Leibes eröffnet
sich auch der Intuition des Menschen, seiner inneren Erfahrung. Das
„Philosophische Tagebuch“ hat einen Zugang zu deren täglicher Intimität. Auf
dieser besonderen Art von Empirie beruht denn auch vorwiegend die systematische
Erkenntnis der Existenzphilosophie des Leibes.“
Damit tritt neben der geschichtlichen auch die
naturgeschichtliche Dimension des Menschen wieder ins Blickfeld -und nicht nur
als ein von aussen zu untersuchendes „Objekt“ der Naturwissenschaft. Denn
auch der Geist hat eine „Natur“ („Von der Natur des Geistes“ ist
der Titel von Band I des „Philosophischen Tagebuchs“) - die Aporie der
naturwissenschaftlichen Methode besteht ja gerade darin, dass sie so tut; als ob
ihre Beobachtung „rein“ wäre, als ob der Geist dessen, der da beobachtet, keine
„Natur“ hätte. Und für die davon getrennt operierende Geisteswissenschaft kommt
der „Geist“, wie Hans F. Geyer sagt, immer vor der „Natur“; es ist der „
Geist“, der diese - als sich, sowohl idealistisch wie materialistisch, absolut
setzender „Theoriegott“ - aus sich entlässt.
Auf einer der ersten Seiten von „Physiologie der Kultur“
beschreibt Hans F. Geyer, welch „immense Entdeckung“ es für ihn war, „feststellen
zu müssen, dass die Philosophie bisher so etwas wie einen ‚menschlichen Körper’
nicht kennt, mit allen Folgen, die natürlicherweise für die Theorie des Menschen
damit verbunden sind“. Kaum noch hat man kulturelle Phänomene - das Phänomen
der Kultur - von der „ Gattung“ weg auch auf den Einzelnen bezogen, auf das, was
tief in der physischen Geschichte des Individuums ruht, was da an immer auch
aktuellen „Abläufen“ stattfindet und seine Gegenwart ausmacht. „Mit jedem
Satz, den ich ausspreche, verbindet sich Natur mit Kultur, die Natur meines
Körpers mit meiner Kultur - und durch diese Vermittlung mit der Kultur
überhaupt. Also ist der ausgesprochene Satz überhaupt die Vermittlung von Natur
und Kultur. Die Natur ist die ungeheure Front der Körper, die durch kulturelle
Vermittlung zu ideellen Körpern werden.“
Der „ideelle Körper“: das ist der Leib -, und deutlich
gibt uns Hans F. Geyer zu verstehen, dass der nicht naturgeschichtlich und
geistesgeschichtlich getrennt zu denken ist. Dafür gibt es bei den frühesten
Griechen einen starken Bezugspunkt: die antike Philosophie, im Zeitalter der „Leiblichkeit“
(im Gegensatz zum Mittelalter als dem der „Seele“ und der Neuzeit als dem
des „Geistes“), lebte - gerade weil die Naturmächte noch so nah und
bedrohlich gegenüberstanden - in „existentiellen Entscheiden“; das Denken
griff unmittelbar in das Leben ein, das Leben in das Denken. Mit der Trennung
von Natur- und Geisteswissenschaften, deren Instrumentalisierung auch, ist
dieses Empfinden, in die Natur einbegriffen zu sein, geschwunden bis zum
Verlust. Ein Widerspruch, der sich heute am klarsten darin ausdrückt, dass die „Geschichtsmächtigkeit“
des Menschen zugleich seine Katastrophen- und Untergangsmächtigkeit ist.
Auf einer vorgeordneten Ebene - etwa der des
wissenschaftlichen und akademischen Philosophierens - wäre das die Trennung vom
„Leben des Gedankens“, mithin vom lebendigen Denken; Unbewusstsein
darüber, wie es sich physiologisch und naturgeschichtlich fundiert, wie es um
die „Souveränität des Bewusstseins“ bestellt ist.
Hans F. Geyer hält in seinem Buch einige neue Begriffe bereit
- und es ist, als öffne sich das Universum eines anderen Verstehens. „Ideeller
Körper“, „sensueller“ und „ abstraktiver Reiz“, „sensuelle“
und „ abstraktive Empfindung“, „Tierleib“ und „Kulturleib“, „ Geisttrieb“ und „Sinntrieb“,
„biologische Logik“, „Geschichtsphysiologie“, „Kulturphysiologie“
... Das sind Wort-Konjunktionen, die vordem Getrenntes oder Entgegengesetztes
zusammenbringen und in einem übergreifenden Zusammenhang einzuholen suchen. Mit
der „zureichenden Benennung“ erst ist vollständiger zu sehen, worum es
sich handelt, sind dunkle oder halbdunkle Dinge zu erfassen, ist vielleicht
Erahntes zu begreifen.
Auf der Basis der „Empfindung des Richtigen“ gilt es
die Tragfähigkeit der Begriffe zu erproben, sich in sie hineinzudenken, sie
dialektisch zu wenden. Denn wenn man ganz nah und ganz weit ausgreift - so nah,
wie man sich selbst ist; so weit, wie Philosophie und Anthropologie (oder
Evolutionstheorie) überhaupt reichen -, ergibt sich ein ungeheurer
Spannungsbogen, eine Tragweite, die nicht ohne weiteres abzusehen ist (und vor
der es in Momenten wohl auch den Autor „schauerte“). Ein „erkenntnistheoretisches
Niemandsland“, das Hans F. Geyer vorläufig allein betreten hat, auch wenn es
für ihn eine ganze Menge „Anreger“ gibt. Am nächsten stand ihm auch von
der Begriffsfindung und -verwendung her Alfred North Whitehead, dem ein Epilog
des Buchs gewidmet ist.
Der Gebrauch seiner Begriffe, betont Hans F: Geyer, bewähre
sich im übrigen nicht durch Über- oder Unterordnung, sondern durch die
Beziehung, die sie herstellen; im Vorwort nennt er dies „Methode der
relationalen Logik“. Und noch etwas geschieht, fast wie nebenher, bei seinem
Ansatz: nicht wenige der philosophiegeschichtlich bislang massgebenden
Gegensatzpaare - wie etwa Materialismus/Idealismus -brechen auf und „verfallen“.
Das hat, so scheint mir, vor allem auch zu tun mit seiner Neu-Situierung der
Begriffe Mythos und Logos, und dem, was er das „Überschiessen“ des „pragmatischen
leiblichen Mythos“ nennt. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht
nur die Kategorien wahr/falsch kennt, sondern immer auch in der „dritten
Dimension“ der Möglichkeit lebt.
Der „mythische Untergrund“, sagt Hans F. Geyer, bleibt
bei aller Entwicklung hin zum Logos in Philosophie, Wissenschaft und Religion
unter der „logischen Superstruktur“ erhalten. Zwar ist der Mythos das „Ewige“,
andrerseits aber auch „ein Geschehen, das sich nicht nur wiederholt, sondern
durch den in der Wiederholung selbst veränderten ‚ewigen’ mythischen Gehalt der
Veränderung anheimfällt, stetig und unmerklich. Es ist ein Prozess der ‚inneren
Erfahrung’ des Menschen.“
Geist gegen Körper, Körper gegen Seele, Geist gegen Seele
beziehungsweise die daraus resultierenden -ismen gehen für Hans F. Geyer auf in
der „Untrennbarkeit der Trennung“, in der „Dreieinheit“ von
Körper, Seele und Geist. Von diesem leiblichen Gesamtzusammenhang her - die „Innerleiblichkeit“
als Ganzes „wird zur Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis“ - kann er
weder die transzendente religiöse Realität noch die „faktische“ Realität
der Aufklärung anerkennen. „Das transzendentale Ich des Menschen ist im Leibe
angesiedelt.“
Das scheint mir eminent wichtig: die Feststellung, dass das
Ich nicht „naturloser Geist“ ist, dass der „Geist“ nicht im
luftleeren Raum lebt, kein „körperloses Gespenst“ ist, sondern dass
sowohl für das „rein geistige“ Ich Kants, wie für das Subjekt der
Erkenntnis im naturwissenschaftlichen Materialismus ein „intentionales
Interesse“ des eigenen Leibes vorausgesetzt werden muss. Letzteres, das
intentionale Interesse, habe sich, meint Hans F. Geyer, im „Hauptwort“
Vernunft und in der „Mythologie der Vernunft“, deren sich die Aufklärung
bedient, verflüchtigt.
Ein knappgehaltener Exkurs über die „Widersprüche der
Freudschen Psychologie“ hebt jahrtausendealte religiöse Verankerungen
hervor, die sich bis in die naturwissenschaftlich-medizinisch-psychologische
Aufklärung des 19. Jahrhunderts hinein manifestieren.
Das heisst nun aber keineswegs, dass es für Hans F. Geyer „Religion“
nicht geben sollte oder nicht gibt. Er geht im Gegenteil von einer Omnipräsenz
des Religiösen aus - für ihn ist es gerade dort, wo es scheinbar nicht ist. „Die
Religion als ‚tradierte Religion’ mag ausgespielt haben, nicht aber die Religion
als durchdringendes Medium aller disziplinären Bindungen des Menschen.“
Unsere Epoche sieht er als eine „eminent kryptoreligiöse“ - eben deshalb,
weil nur dem Namen nach von Religion gesprochen wird und die Kirche mit ihrer
Hierarchie in der nur „äusseren Erfahrung“ steht, dann aber vor allem,
weil sich neue Mythen aus der „Sache“ ergeben, neue „Sachreligionen“
entstanden sind, die mit ihrer Pseudoratio ein rationales Verhältnis zur
Religion verhindern. Die „Wissenschaftskirche“ verabsolutiert den
Gegenstand und meint das Wissen nur aus der Aussenwelt beziehen zu können: damit
opfert sie auch den lebendigen, in diesem Sinn nicht „teilbaren“
Menschen, auf dem Altar ihrer Laboratorien in den „Forschungsfabriken“.
Hans F. Geyers Position nährt sich aus der Sicht der Welt als
einer den Menschen übergreifenden - es gibt „die Grenzvorstellung einer dem
Leibe letztlich nicht einsichtigen Ordnung“, auch und gerade wenn der Mensch
verstanden als Leib innerhalb der Welt eine „Welt für sich“ ist. Eine
doppelte Beziehung ist ihm vorgegeben: „selbst Welt und als Welt in der Welt
zu sein“. Insofern der Leib als der „gesetzte Unterschied“ etwas
will mit sich und der Welt (sie erkennt, sich ihr anpasst, sich
verwirklicht) „ist“ - nicht nur „hat“ - er auch Welt.
„Wie also soll man das nennen, was der Mensch in sich
trägt und was sich in der Welt nicht findet?“
Zwischen der Welt, die aussen ist, und der Welt, die innen
ist -, getrennt durch die Membran der menschlichen Haut -, gibt es einen „Stoffwechsel“,
und zwar nicht nur in physischer, sondern auch in psychischer Hinsicht. Auch die
Psyche „verzehrt“ die Aussenwelt, indem sie die auf sie einwirkenden
sensuellen und abstrakten Reize verarbeitet und weitergibt. Das
Zentralnervensystem steht „geschichtsphysiologisch“ in einem Regelkreis:
der von aussen kommende sensuelle und abstraktive Reiz erfährt eine „organische
Antwort“ durch die sensuelle und abstraktive Empfindung und Tätigkeit, die
den abstraktiven Reiz als verwandelten wieder „aussendet“... Es geht also
vor allem um den Akt des Verstehens, Sprechens, Denkens und darum, wie das
Bewusstsein sich konstituiert.
Vermag man so ganz zu ermessen, was für Konsequenzen es hat,
wenn hier das Wörtchen „abstraktiv“ in unmittelbaren Zusammenhang mit
Begriffen wie Reiz und Empfindung gebracht, gar organisch und organologisch „gebunden“
wird? - Es gibt da, durch die Arbeit mit solch neuen Begriffsfügungen, ein
ungemein feines „Aufschliessen“ der sich im Menschen, um ihn herum und
aus ihm heraus abspielenden Prozesse, mithin dessen, was seinen „ideellen
Körper“ und im ganzen die „Physiologie der Kultur“ ausmacht.
Um wenigstens etwas von der Spannweite dessen anzudeuten, was
in die „organisch abstraktive Empfindung und Tätigkeit“ miteinfliesst -
deren transzendentale Natur Hans F. Geyer hervorhebt -, ein abschliessendes
Zitat:
„Es gibt - im Unterschied zur gewöhnlichen Auffassung sei
es gesagt - überhaupt nichts Gefühlsgeladeneres als Abstraktionen. Warum? Weil
sie im Menschen, vermittelt durch die organische Antwort auf den abstraktiven
Reiz. seine ganze Biographie wiedererwecken, ja, nicht nur seine Biographie, die
Biographie des Individuums, nicht nur die menschheitliche Biographie der
Geschichte abstraktiver Reize, sondern auch die vorgeschichtliche Biographie,
die Naturgeschichte der Menschheit überhaupt, denn Naturgeschichte und
Geschichtsnatur des Menschen verbinden sich in der Geschichte der abstraktiven
Reize und der organischen Antwort auf abstraktive Reize als organische
Empfindung und Tätigkeit.“
Ich habe hier durch das notwendig Kursorische dieser
Bemerkungen der Theorie einiges von ihrer „Spannung“ genommen und auch
vieles Weiterreichende unterschlagen (etwa den aus dem „Organischen“ und
„Organologischen“ abgeleiteten Begriff des „Organismischen“, der
alle „Bedeutungsträger der menschlichen Kultur“ umfasst - also neben
Sprache, Schrift, Kunstobjekten auch Werkzeuge bis hin zum Computer -, und der
seine Bedeutung eben gerade aus der neuesten und noch bevorstehenden technischen
Entwicklung gewinnen könnte).
Aber „referieren“ lässt sich dieses Buch wohl ohnedies nicht
- und das hängt mit Hans F. Geyers Vorgehensweise zusammen. Wenn es in „Physiologie
der Kultur“ auch so etwas wie eine argumentative Linie gibt (im Gegensatz zu
einigen Teilen des „Philosophischen Tagebuchs“, die den „Reiz des
Unmittelbaren und Erlebnishaften“ haben), so folgt sie doch so eng dem „Atem
des Denkens“, dass von ihr nichts wegzunehmen ist. Man muss schon selber
„atmen“ - die Tragfähigkeit der erarbeiteten Begriffe am eigenen Leib
überprüfen, sich vorwärtsarbeiten zu den immer neuen Aufschlüssen und
Erweiterungen. Das wäre dann die Arbeit des Lesens.
Einspruch, Nr. 2, April 1987, 14-16.