Genetische
Philosophie
am Beispiel
eines
Philosophen:
Alfred North
Whitehead
Von Hans F.
Geyer,
Zürich
In:
Whitehead
und der
Prozessbegriff
/ Whitehead
and The Idea
of Process
Beiträge zur
Philosophie
Alfred North
Whiteheads
auf dem
Ersten
Internationalen
Whitehead-Symposion
1981
Proceedings
of The First
International
Whitehead-Symposium
1981
herausgegeben
von / edited
by Harald
Holz und
Ernest
Wolf-Gazo
Verlag Karl
Alber
Freiburg
/München
Beitrag Nr.
18, Seiten
240-246.
Von den
äussern
Lebensumständen
Whiteheads
ist nicht
viel zu
berichten.
Sein Leben
war sein
Werk. In
Anlehnung an
das
lateinische
veni, vidi,
vici (Ich
kam, sah und
siegte)
könnte man
von ihm
sagen: Er
kam, sah und
dachte. Und
„siegte"
auch. Davon
legt Zeugnis
ab sein
reiches
Werk. Aber
er wusste,
dass es kein
endgültiger
„Sieg" ist,
noch sein
könnte. Der
Glaube an
das Ende,
das Letzte,
das Eschaton,
an das
„Absolute"
Hegels und
Marxens war
ihm fremd.
Er glaubte
vielmehr an
das
Unabschliessbare,
für immer
Unendgültige,
an das
Werden, an
den
„Prozess",
wie er sich
ausdrückt,
an die
Herkunft und
Abkunft des
ganzen
Kosmos aus
kreativer
Genesis. So
hat
Whitehead,
wenn man so
will, in
ständig sich
selbst
überholender
Genesis, in
ständiger
Besinnung
auf seine
Ursprünge
und die
Ursprünge
der
Philosophie,
sich selbst
hervorgebracht.
Er dachte
genetisch.
Er lebte
genetisch.
Sein
philosophisches
Werk ist
hervorgegangen
aus seinem
Fachstudium,
der
Mathematik,
dessen
Rahmen er
sprengte.
Der Keim des
Logos seiner
Philosophie,
der logos
spermaticos,
ist zu
suchen in
dem grossen,
zusammen mit
Bertrand
Russell
verfassten
Werk
Principia
Mathematica.
Aus diesem
Samen wuchs
schliesslich
der hohe,
weit
ausladende
Baum seiner
Philosophie.
Diese These
ist, wie ich
vermute,
ziemlich
neu. Ich
wenigstens
habe sie in
der
Sekundärliteratur
nicht
bestätigt
gefunden. So
ist einiges
Misstrauen
angebracht.
Wie ist es
möglich,
dass,
gewissermassen
von der
formalen
Seite, nicht
einmal von
der
Mathematik,
sondern von
der
mathematischen
Logik her,
eine grosse
Philosophie
entscheidend
beeinflusst
wird? Wie
ist die
mathematische
Genesis
einer
materialorientierten
Philosophie
möglich? Die
Lösung des
Rätsels ist
wieder im
genetischen
Gedanken
selbst zu
suchen, der
bei
Whitehead
eine
wahrhaft
abendländische
Dimension
annimmt.
Whitehead
malt, aus
seiner
Sicht, ein
grosses Bild
der
europäischen
Philosophie.
Ein
Freskogemälde
mit viel
Schwung und
nicht ganz
ohne
deutende
Willkür. Und
da ist es
nun sehr
interessant
zu
beobachten,
wie die
formalen
Gesichtspunkte
sich mit den
Materialen
verbinden,
wie
mathematisch-logische
Überlegungen
eingehen in
physikalische,
chemische,
biologische,
physiologische,
seelische,
geistig-kulturelle.
Wie oben
gesagt: Der
Baum, er
wächst.
Und nun
bitte ich
Sie für
einen Moment
um Ihre
besondere
Aufmerksamkeit
für einen
etwas
unkonventionellen
Gedankengang.
Es ist der
Gedankengang
von
Whitehead,
den er aber
nicht in
dieser Weise
ausgedrückt
hat. Ich
denke, dass
wir so die
genetische
Grundstruktur
seiner
Philosophie
wie durch
eine
packende
Momentaufnahme
ins Bild
bekommen.
Sie wissen,
wie eine
mathematische
Gleichung
aussieht, z.
B. a + b =
c. Die
Striche,
welche die
Gleichheit
ausdrücken,
drücken auch
eine
Beziehung
zwischen der
linken und
der rechten
Seite der
Gleichung
aus. Man
könne auch
sagen, ein
„Werden",
einen
„Prozess",
obwohl diese
Begriffe im
rein
formalen
Sinne der
Mathematik
eigentlich
irreführend
sind. Und
noch anders
könnten wir
uns
ausdrücken,
wenn wir uns
mit unseren
Überlegungen
in die Nähe
der
folgenden
Formulierung
wagen: Aus a
plus b geht
c hervor.
Das ist ja
auch das
Grundprinzip
der
Principia
Mathematica,
das Prinzip
nämlich der
logischen
Äquation,
der
logischen
Gleichung,
des
logischen
Werdens, der
logischen
Genesis.
Es gilt Mut
zu fassen,
den Mut zum
Sprung, den
Whitehead
getan hat,
nämlich den
Mutsprung
von der
formal-mathematischen
Adäquanz,
der
formal-mathematischen
Relation zur
realen
Adäquanz im
Kosmos.
Natürlich
handelt es
sich zuerst
nur um ein
formales
Schema. Denn
die Gesetze
der
kosmischen
Adäquanz
sind ganz
andere als
diejenigen
der
mathematischen
Adäquanz.
Diese sind
inhaltsleer;
mit Kant zu
reden,
drücken sie
nur aus die
Bedingung
der
Möglichkeit
von
Geschehen
überhaupt,
jene aber
sind
inhaltserfüllt,
sie meinen
den Inhalt
sämtlicher
menschlicher
theoretischer
und
praktischer
Disziplinen,
die
Whitehead in
die
Kathedrale
der
Metaphysik
seines
„Prozesses"
hineinstellt.
Da hinein
möchte ich
eine
wichtige
Anregung
stellen,
eine
Anregung,
die von
meinem
Freunde
Walter
Robert Corti
stammt.
Walter
Robert Corti
hat sich
einmal, wenn
ich mich
richtig
erinnere,
ungefähr so
geäussert:
„Ich habe
das
Substantiv
im Verdacht.
Es führt als
grammatikalisches
Schema, ja
als
grammatikalische
Verführung
zu
philosophischen
und
wissenschaftlichen
Konstruktionen,
die der
Wirklichkeit
Gewalt
antun. Ich
habe mehr
Vertrauen in
das Adjektiv
und in das
Verb."
Wie sollen
wir diesen
Aphorismus
im Rahmen
einer
genetischen
Philosophie
verstehen?
Nehmen wir
als Beispiel
den Satz:
„Das Blatt
ist grün."
Das
Misstrauen
von Walter
Robert Corti
- und wir
dürfen
hinzufügen -
von
Whitehead
richtet sich
mit voller
Wucht gegen
das
Substantiv
(logisches
Subjekt)
„Blatt". Von
ihm wird
ausgesagt,
dass es
„grün" sei.
Das hört
sich erst
einmal recht
harmlos an.
Aber so
harmlos ist
es eben
nicht. Denn
das
Substantiv
ist ein
kleines
Monstrum, es
hat die
Tendenz, das
Adjektiv zu
verschlingen.
Und nicht
nur das
Adjektiv.
Auch das
Verb. Denn
das Adjektiv
übt eine
Tätigkeit
aus. Bei
„grün" die
Tätigkeit
des
„Grünens"
etwa, so,
wie wir im
Frühling vom
„Grünen" der
Pflanzen
sprechen.
Aber wir
können es
noch
einfacher
ausdrücken
mit dem
Beispiel:
„Der Mensch
denkt." Das
Verb steht
hier in der
gleichen
Gefahr wie
das
Adjektiv.
Genauer: In
welcher
Gefahr? Da
müssen wir,
mit Hilfe
von
Whitehead,
etwas weiter
ausholen.
Wir haben ja
von seinem
„Freskogemälde"
der
europäischen
Philosophie
gesprochen.
Diese
beginnt mit
der
griechischen.
Ähnlich wie
die deutsche
eignet sich
die
griechische
Sprache gut
dafür,
Verben zu
substantivieren,
Verben als
Substantive
zu
verwenden.
Man denke
nur an das
Verb „sein"
und dessen
Substantiv:
„Das Sein".
„Das Sein"
wurde ja
noch in
letzter Zeit
im
eigentlichen
und im
übertragenen
Sinne zum
Haupt-Wort
einer
Philosophie:
derjenigen
von
Heidegger.
Eine
Haupt-Wort-Philosophie
ist auch die
aristotelische.
Die
aristotelische
Logik (das
„Organon")
sowie die
aristotelische
Metaphysik
beruhen auf
der
Verbindung
von Subjekt
und
Prädikat,
Substanz und
Attribut.
Die
aristotelische
Logik und
Metaphysik
haben
deshalb
einen
statischen
Charakter.
Die
bestimmenden
schwergewichtigen
Mittelpunkte,
die wie
Statuen
wirken, sind
die Subjekte
und
Substanzen;
die
Leichtgewichte
sind deren
„Satelliten",
nämlich die
ausgesagten
Prädikate
und
Attribute.
Im Gegensatz
dazu beruht
die moderne
mathematische
Logik und
insbesondere
diejenige
von
Whitehead
und Russell
nicht auf
statischen
Mittelpunkten,
sondern auf
Beziehungen,
auf
Relationen,
deren
formaler
Ausdruck,
wie wir
gesehen
haben, die
Gleichheitsstriche
der
mathematischlogischen
Gleichungen,
deren
materialer
Ausdruck im
Kosmos aber
die
Naturgesetze
sind. Diese
nehmen
übrigens in
der Chemie
auch die
äussere Form
von
Gleichungen
an.
Whitehead
weist nun
nach, dass
trotz des
Triumphes
der
Naturwissenschaften
die
substantivische
und
substantielle
Philosophie
des
Aristoteles
sich in der
Geschichte
der
Philosophie
über das
Mittelalter
hinaus bis
in die
Neuzeit
erhalten
hat.
Nennen wir
einige
Beispiele
für diese
Entwicklung:
Ausser der
„Substanz"
des
Aristoteles
die „Idee"
Platons, die
denkende und
ausgedehnte
Substanz
Descartes'
und
Spinozas,
die Monaden
ohne Fenster
des Leibniz,
das „Ich der
transzendentalen
Apperzeption"
Kants, den
„Geist"
Hegels. Für
alle diese
Substanzen,
Subjekte und
mächtigen
Haupt-Wörter
gilt, dass
sie inmitten
ihres
„Hofstaates"
von
Prädikaten
und
Attributen
souverän und
unabhängig
„residieren",
aber auch,
dass sie
isoliert
bleiben,
keine
Beziehung
nach aussen
haben. Um es
mit einem
politischen
Gleichnis
auszudrücken:
Sie haben
keine
„Aussenpolitik".
Sie sind
„fensterlos"
wie die
Monaden von
Leibniz.
Die Folgen?
Ich möchte
sie gern an
einem
Beispiel
illustrieren.
Es ist
wieder die
einfache
Gleichung: a
plus b = c.
Setzen wir
nun für die
Variable c
die
mächtigen
Hauptwörter,
Substanzen,
Subjekte
ein, die wir
oben erwähnt
haben. Was
ergibt sich?
Wir können
uns bemühen,
wie wir
wollen, die
Gleichung
lässt sich
nicht
vervollständigen.
Wir finden
aus der
Situation
der
Substanz-Subjekt-Philosophie
heraus in
der
Nachfolge
des
Aristoteles
keine
„Werte", die
wir für a
und für b
einsetzen
könnten. Was
bedeutet
dies? Es
bedeutet,
dass der
Wert für c
in keiner
„Gesellschaft",
in keiner
Gemeinschaft
steht mit
anderen
Werten. Es
bedeutet,
dass er
„sich selbst
setzt" (so
wie Fichte
von dem
„sich selbst
setzenden
Ich"
spricht). Es
bedeutet,
dass
Ursprung,
Herkunft,
Abkunft des
Wertes für c
unbenannt
und
unbekannt
bleiben. Es
bedeutet,
dass er
nicht
hervorgeht
aus andern
Werten, dass
er nicht
genetisch
erklärt
werden kann.
Die linke
Seite der
Gleichung
fällt aus.
Damit ist
auch die
Gleichung
hinfällig,
mit ihr die
Relation,
welche die
Genesis
ausdrücken
soll. Wir
reden
natürlich in
einem
Gleichnis,
in einem
mathematischen,
aber Sie
werden
seinen
materialen
Hintergrund
verstehen.
Wir haben
bisher vom
formalen
Prinzip der
Philosophie
Whiteheads
gesprochen.
Gehen wir
nun über zu
seinen
materialen
Folgen. Der
genetischkosmologische
Zug in der
Philosophie
Whiteheads
ist
unübersehbar.
Der Mensch
Whiteheads
steht in der
Welt. Aber
er steht in
der Welt
nicht als
„Ich" wie
bei
Descartes,
als „Geist"
wie bei
Hegel, als
„Dasein" wie
bei
Heidegger,
als
„Fürsich"
(pour soi)
wie bei
Sartre, er
steht in der
Welt als
menschlicher
Körper.
Dieser
Körper darf
nicht nur
biologisch,
psychologisch
und geistig
verstanden,
er muss auch
„astronomisch"
begriffen
werden. Der
Körper
Whiteheads
ist im
eigentlichen
Sinne ein
„Weltkörper",
der in der
Welt steht
wie die Welt
in ihm. Mit
der Welt
verbindet
ihn seine
innere und
äussere
Genesis. Wo
hält sich
Whitehead
auf in
seinen
Träumen, wo
ist sein für
die
Bestimmung
des
menschlichen
Körpers
massgebender
„geophilosophischer"
Ort? Ich
möchte
sagen,
mitten im
Atlantik,
irgendwo
zwischen
England und
Amerika.
Whitehead
hat, als er
nach Harvard
übersiedelte,
den Atlantik
nicht nur
physisch
überquert,
sondern auch
geistig. Und
er tut es
immer wieder
in seiner
Philosophie.
Whitehead
ist ein
transatlantischer
Geist, ein
Geist des
Übergangs
zwischen den
Kontinenten.
Er atmet die
Luft der
grössten
irdischen
Räume, die
Luft der
Meere, die
auch Saint
John Perse
begeisterten
und die er
besungen
hat. Ja, die
Analogie zu
Saint John
Perse geht
bis hin zur
Poesie, zu
jener
Poesie, die
Whitehead am
besten
versteht,
die er
zitiert und
liebt. Sie
hat eine
innere
Unendlichkeit,
ein inneres
Apeiron, sie
ist une
poesie
marine, der
Art nach
eine
Meerespoesie,
auch wenn
sie nicht
vom Meere
handelt. So
zitiert
Whitehead
aus dem
Gedicht „The
Prelude" von
Wordsworth
eine Stelle,
wo von der
„unumgrenzten
Erde Fläche"
die Rede
ist, die wie
ein „Ozean"
aufwogt (A.
N.
Whitehead:
Wissenschaft
und Moderne
Welt,
Zürich 1949,
S. 109).
Wenn ich nun
die
transatlantische
Philosophie
Whiteheads
vergleiche
mit
Philosophien
kontinentaler
Inspiration,
etwa mit
derjenigen
von
Heidegger
und Sartre,
so fällt mir
der
Ausspruch
eines
Franzosen
über unsere
kontinentale
Kultur
überhaupt
ein: Ça sent
l'enfermé.
Jener leicht
muffige
Geruch ist
gemeint, der
einem lange
nicht
gelüfteten
Kasten
entweicht.
Es fehlt
eben der
tragende
Atem des
Meeres, die
verbindende
Kommunikation
nach innen
und nach
aussen, es
fehlt das
Nachinnentreten
des Aussen,
das
Nachaussentreten
des Innen,
es fehlt die
Genesis des
Innen von
aussen her
und die
Genesis des
Aussen von
innen her.
Man nehme
als
Beispiele
Begriffe wie
das „Dasein"
Heideggers
und das
„Fürsichsein"
Sartres. Man
nehme sie
nicht nur.
Man nehme
sie auf die
Zunge,
schmecke
sie. Unsere
Zunge wird
ein
abgekürztes
Urteil
fällen,
besser und
treffender
als Bände
von
Sekundärliteratur
es tun
könnten. Es
sind
Begriffe,
die sich
nicht
„öffnen"
lassen.
Begriffe der
Innenvertiefung,
aber nicht
der
Aussenvertiefung.
Begriffe der
Innenmystik,
aber nicht
der
Aussenmystik.
Und dies,
obwohl
Heidegger
und Sartre
ihre
Begriffe in
ein
„Mitsein"
der Welt
hineinstellen,
dies, obwohl
sie mit dem
Substanzmythos
des Ich
brechen, der
in der
Erbfolge der
Philosophie
von
Descartes
bis in den
deutschen
Idealismus
hinein
vorherrscht.
Die
egologische
Substanzmetaphysik
wird zwar
von
Heidegger
und Sartre
verworfen,
aber sie
kommt zur
Hintertür
wieder
herein. Da
ist die
abwehrende
Geste. Gegen
das Aussen.
Gegen die
Welt. Die
abwehrende
Geste
Heideggers.
Der Feind
ist für ihn
der
„Betrieb",
der das
Dasein
verfälscht,
ins
Unwesentliche
zieht. Die
abwehrende
Geste
Sartres. Der
Feind ist
für ihn: le
regard de
l'autre qui
pèse sur le
pour soi.
Das Ich muss
unter dem
Auge des
andern
Menschen
agieren. Das
Auge des
andern als
Einschränkung
der
innerlich
vorgestellten
Freiheit,
als Zensur.
In beiden
Fällen ein
Grad innerer
Vertiefung,
der sich
gegen den
Einfluss von
aussen
wehrt, gegen
die Genesis
von aussen
wehrt, die
sich als
Selbstursprung,
als eigene,
als
souveräne
Genesis
vorstellt
und an
dieser
Illusion
eisern
festhält.
Und wenn
sich diese
Verschlossenheit
vielleicht
doch einmal
öffnet, so
riecht es
leicht
muffig. Ça
sent
l'enfermé.
Die Angst,
sich zu
öffnen, die
zum Kerker
wird.
Whitehead
möchte
sicherlich
nicht, dass
man seine
Philosophie
zum Knüppel
macht, um
andere
Philosophien
totzuschlagen.
Diese Kritik
soll keine
Abwertung
der Lehren
Heideggers
und Sartres
bedeuten.
Wohl aber
den Hinweis
auf eine
Ergänzung.
Die
Ergänzung
Whiteheads.
Die
Ergänzung
der engen
Tiefe durch
die Weite,
die
kosmische,
die nicht zu
erlangen
ist, wenn
man den
Menschen nur
als Ich,
Geist, Seele
sieht, wenn
man ihn nur
in
geisteswissenschaftlichen
Kategorien
erfasst und
nicht auch
in
naturwissenschaftlichen,
körperlichen.
Es ist
merkwürdig,
dass bisher
kaum ein
Erkenntnistheoretiker
auf den
Gedanken
gekommen
ist, dass es
ein Organ
gibt, ein
Organ des
menschlichen
Körpers, das
eine
entscheidende
Rolle für
die
Beziehung
zur
Aussenwelt
spielt,
nämlich die
Oberfläche
des
menschlichen
Körpers, die
Haut.
Hautnah ist
uns das
Universum.
Aber auch
hautfern.
Hautnah,
weil das
Universum,
insofern es
Aussenwelt
ist,
gleichsam
„vor der
Türe der
Haut"
beginnt,
hautfern
aber, weil
das
„Jenseits
der Haut"
einen
qualitativen
Unterschied
bedeutet,
jenen
qualitativen
Unterschied,
der
eindeutig
unser ganzes
Leben
bestimmt.
Das Weltall
zerfällt in
zwei
verschiedene
Hälften,
regiert von
zwei je
verschiedenen
Ordnungen:
das
Universum
„vor der
Haut" (die
leibliche
Aussenwelt)
und das
Universum
„hinter der
Haut" (die
leibliche
Innenwelt).
Den Grund
dafür, dass
die
erkenntnistheoretische
Bedeutung
der
menschlichen
Haut bislang
nicht
erkannt
wurde, hat
Whitehead
wohl richtig
gesehen,
wenn er von
zwei
historischen
Irrtümern
spricht: dem
Irrtum der
Verabsolutierung
der
Innenwelt,
der
Introspektion,
und dem
Irrtum der
Verabsolutierung
der
Aussenwelt,
dem
Sensualismus.
Zwischen
diesen
beiden
Welten gibt
es keinen
Verkehr,
keine
genetische
Beziehung.
Der Grund
dafür ist
der
folgende.
Die
Introspektion
zieht die
Aussenwelt
in sich
hinein und
macht sie zu
ihrem
integrierenden
Teil.
Dasselbe tut
der
Sensualismus
für die
Innenwelt,
der
Sensualismus,
für den die
Begrifflichkeit
weitgehend
mit den
gegebenen
Sinnesdaten
zusammenfällt.
Genetisch
sind beide
Welten
getrennt,
die Welt der
Introspektion
und die Welt
des
Sensualismus.
Kein
Abkunftsverhältnis,
kein
Hervorgehen
des Innen
aus dem
Aussen, des
Aussen aus
dem Innen,
keine
„Osmose"
zwischen
Aussen und
Innen,
obwohl doch
gerade
dieser
Vorgang par
excellence
die
menschliche
Haut
charakterisiert,
und zwar
sowohl im
physischen
und
physiologischen,
wie auch im
seelischen
und
geistigen
Sinn was
Whitehead
oft genug
sehr
deutlich
macht. Die
Introspektion
ist ihrem
„geistigen
Einzugsgebiet"
nach eine
idealistische,
der
Sensualismus
eine
materialistische
Richtung.
Zu
Introspektion
und
Sensualismus
gesellt sich
noch ein
dritter, von
Whitehead
abgelehnter
Irrtum: der
Dualismus.
Auch er
unterbricht
die
gleichsam
„transatlantische
Weite" des
Stroms der
Genesis von
leiblichem
Innen und
leiblichem
Aussen,
zwischen der
Welt hinter
der Haut und
der Welt vor
der Haut,
deren
scheidendes
Organ, eben
die Haut,
nur trennt,
um nicht zu
trennen,
entsprechend
ihrem
osmotischen
Prinzip,
das, wie
bereits
erwähnt,
nicht nur
eine
physische
und
physiologische,
sondern auch
eine
seelische
und geistige
Tragweite
hat. Der
Dualismus
vollendet in
einem, was
Introspektion
und
Sensualismus,
Idealismus
und
Materialismus
durch
Ausdehnung
ihres
Geltungsbereichs
tun. Er
setzt zwei
„kontinentale
Blöcke"
nebeneinander,
ohne sie
auseinander
hervorgehen
zu lassen.
Was unsere
genetischen
Überlegungen
anbelangt,
so
repräsentiert
die
Introspektion,
also der
Idealismus,
den
Selbstursprung,
die
Selbsthervorbringung
des auch die
Aussenwelt
umfassenden
innerlichen
Prinzips,
der
Sensualismus
aber, also
der
Materialismus,
die
Selbsthervorbringung
des auch die
Innenwelt
umfassenden
äusserlichen
Prinzips.
Der
Dualismus
aber setzt
den
Selbstursprung
des Innen
gegen den
Selbstursprung
des Aussen,
so dass sich
beide
Prinzipien,
beide
Welten, ohne
Vermittlung,
ohne
gegenseitige
Genesis
gegenüberstehen.
Und noch zur
Ergänzung
unserer
geophilosophischen
Überlegungen:
Es stehen
sich
Idealismus,
Materialismus
und
Dualismus
einerseits
und das
„maritime"
Denken
Whiteheads
andererseits
gegenüber,
das
kontinentale
Element, das
Element
„Erde", das
abschottend
wirkende,
das
ausschliessende
Prinzip des
nicht
Durchdringbaren,
eindeutig
Lokalisierbaren,
dem Element
„Wasser",
dem Prinzip
des
Alldurchdrungenen
und
Allesdurchdringenden,
des
universell
genetisch
Offenen, des
nicht und
nie
eindeutig
Lokalisierbaren,
weil in ihm
alles mit
allem
verbunden
ist. Da sind
philosophische
Urerlebnisse
im Spiel,
die wir als
Einflüsse
des
kontinentalen
und des
maritimen
Wesens, als
Prinzipien
des
physischen
und
geistigen
alten
Griechenland
feststellen
können,
erscheinend
etwa im
Gegensatz
der
Philosophie
des Seins
eines
Parmenides
und des
Werdens
eines
Heraklit.
Summary*
This paper
wants to
show that in
dealing with
Whitehead's
philosophy
we must take
a genetic
perspective
into
account.
Also, we
haue to see
Whitehead's
development
from the
Principia
Mathematica,
and not act,
as though
Whitehead's
organic
philosophy
appeared
immanent at
the time of
his writing
Process and
Reality.
In
Whitehead's
thought we
can study,
in detail,
how formal
thinking, in
terms of
mathematical
logic,
enters into
the realm of
bio-physiological
dimensions;
in addition,
the cultural
aspects
enter into
the picture
in terms of
aesthetics.
Generally
speaking,
entertaining
Whitehead's
grand view
of the world
means, to
observe the
encounter of
the formal
and material
aspects in
the world.
It is Plato
and
Aristotle
all over
again
-except on
conditions
specifically
designed for
the 20th
century.
We want to
emphasis,
particularly,
Whitehead's
insistence
that the
Human Body
is of utmost
importance.
We may also
speak of the
"geophilosophical
location" of
the body in
the world.
Our body, a
"world
body,"
concatenated
with other
bodies,
enables us
to
communicate
our
"experience"
of the
world.
Moreover,
one aspect
of our body,
important
for the
development
of an
adequate
epistemology,
is our
skin. It
seems that
the
epistemological
significance
of our
body's skin
has not been
duly
considered.
It is the
skin which
helps us to
a kind of
"osmotic
epistemology"
coming to
terms with
our "inner
experiences"
and outer
realities.
In the last
analysis it
is the
element
"Water" as
"Ocean,"
which
constitutes
the most
fundamental
understanding
of
Whitehead's
genetic, or
organic
philosophy.
* Summarized
by E.
Wolf-Gazo
with the
approval of
the
respective
author.